Nandus zwischen Plage und Attraktion

Die Galloway-Rinder von Jessica Mahnke und Thomas Böhm stehen friedlich auf der Weide, auf der einst die Gebäude des Dorfes Lenschow standen. Das Dorf westlich von Schattin im Landkreis Nordwestmecklenburg wurde auf Anordnung der DDR-Behörden geschleift. Mitten auf der Weide sieht man noch die Reste des Transformatorenhäuschens, das einzige, was von dem Ort übrigblieb. Wenige Meter weiter östlich fließt die Wakenitz, die hier Grenzfluss zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ist.

Die Galloways bekommen öfters Besuch von Nandus, ein flugunfähiger Laufvogel, der ursprünglich in Südamerika beheimatet ist. In Mecklenburg-Vorpommern im Norden des Ratzeburger Sees scheint es dem bis 1,40 Metern großen Vogel auch gut zu gehen. Im Jahr 2000 entkamen einige Nandus aus einer privaten Haltung in der Nähe von Lübeck. Thomas Böhm vermutet, dass sie durch die Wakenitz geschwommen seien. „Mittlerweile leben mehr als 300 Tiere hier und es werden jedes Jahr mehr.“ Am Anfang dachte man, die Tiere würden die Winter in Norddeutschland nicht überleben. Das hat sich leider nicht bewahrheitet. Die Lebensbedingungen für die Tiere scheinen gut zu sein. Für viele sind die Tiere zum Problem geworden.

„Landwirte beschweren sich, dass die Tiere in Rapsfelder gehen und die jungen Blätter fressen“, erklärt Böhm. „Wenn sich die Tiere länger in den Feldern aufhalten, sind Tritt- und Verbissschäden deutlich zu sehen. Landwirte sprechen von monetären Verlusten.

„Uns und unseren Galloways schaden die Nandus nicht“, sagen Böhm und Manke, die auf 200 Hektar Naturschutzflächen 200 Galloway-Rinder halten. „Wir produzieren eigentlich Naturschutz und das gute Fleisch der Rinder ist ein Nebenprodukte.“ Am Anfang seien die Rinder panisch weggerannt, als die Nandus auf die Weiden kamen, aber mittlerweile hätten sie sich daran gewöhnt. Aber Böhm sieht die Nandus unter Naturschutzaspekten sehr kritisch: „Diese Tiere gehören nicht in diese Gegend. Sie haben keine natürlichen Feinde, vermehren sich kräftig und breiten sich auch räumlich aus.“ Aber das Hauptproblem sieht Böhm darin, dass sie als Allesfresser gerade die Kleinlebewesen fressen, die im Naturschutzgebiet und im angrenzenden Biosphärenreservat geschützt werden. „Die Tiere picken den ganzen Tag in der Erde“, schildert Jessica Mahnke ihre Beobachtungen.Thomas Böhm befürchtet, dass Nandus in Norddeutschland eine invasive Art sind, die es zu bekämpfen gilt. Sie hätten das Potenzial, andere Tiere zu verdrängen. „Störche und Kraniche haben den gleichen Lebensraum und fressen das gleiche.“

Es gibt nur eine Gruppe, die sich über die zahlreichen Nandus in Äckern und auf Wiesen freut und das sind Touristen. Böhm spricht von einem regelrechten Nandu-Tourismus. Auf der Suche nach den Tieren bzw. auf der Jagd nach Fotomotiven würden die Menschen keine Grenzen kennen. Sie kletterten über Zäune, trampelten in Äcker und dringen in Naturschutzgebiete vor, deren Betreten teilweise verboten sei. „Diese Unruhe stört die Tiere in ihrem Lebensraum.“

„Die Nandus sind zu einem öffentlichen Problem geworden“, fordert er ein entschiedenes Handeln der Behörden in Mecklenburg-Vorpommern, die Ausbreitung der Nandus zu stoppen. „Naturschutz handelt nicht nach dem Prinzip abwarten, sondern Vorsorge“, lautet die Begründung. „Negative Effekte zeigen sich erst in 20 bis 30 Jahren.“ Möglichkeiten, die Tiere zu bekämpfen, gäbe es mehrere. Man könnte die Tiere zum Abschuss frei geben. Allerdings stehen die Tiere unter Artenschutz. Unter sehr eingeschränkten Bedingungen sei das Abschießen aber trotzdem erlaubt. Möglich wäre es auch, durch gezielte Maßnahmen die Vermehrung zu reduzieren. Böhm kritisiert, dass viel zu wenig Daten zu Nandus und deren Entwicklung in Norddeutschland erhoben würden. Die brauche man aber, um gezielte Maßnahmen ergreifen zu können. „Eigentlich hätte man damals, als die Tiere in die Freiheit ausbrachen, sofort reagieren müssen“, kritisiert Böhm die Vorgehensweise.

Der Versuch, die Eier der Nandus anzubohren, hat laut Böhm wenig Erfolg gebracht. Außerdem seien die Nester der Nandus sehr schwer zu finden, so dass auch diese Aktion viel Unruhe in das Gebiet bringt. Jessica Mahnke berichtet, dass sie im letzten Winter ihre Galloways im Winter manchmal mit Äpfeln gefüttert hätte. „Da kamen dann auch die Nandus dazu und genossen die Früchte. Nach kurzer Zeit kamen sie schon angelaufen, als sie das Auto hörten. „Ja die Tiere sind faszinierend“, so Böhm und Mahnke. „Aber trotzdem gehören sie hier nicht her.“