Damit der "Gelbe Richard" überlebt

Etwa 10 000 Obstbäume säumen etwa 60 Kilometer Straßen im Amt Neuhaus, das sich auf über 40 Kilometern östlich der Elbe erstreckt. Dazu kommen noch etwa 3000 Obstbäume auf Streuobstwiesen. Diese Bäume werden von ehrenamtlichen Obstbaumwarten gepflegt. Einer davon ist André Hildebrandt. Auf einer Strecke von etwa 1,6 Kilometer rund um seinen Wohnort kümmert er sich um zirka 60 Bäume. Die Bauern haben früher viele Obstbäume gepflanzt, in erster Linie Äpfel, aber auch Birnen und Pflaumen sowie einige Kirschen. „Es war hier Grenzgebiet, deshalb mussten die Bäume keinen Straßen weichen“, erklärt Hildebrandt, dass es hier noch vollständige Obstbaumalleen gibt.

Zu den Pflegearbeiten gehört vor allem der Schnitt der Bäume. „Hier geht es nicht um einen möglichst hohen Ertrag, sondern darum, dass es dem Baum gut geht und er möglichst lange erhalten bleibt“, erklärt Hildebrandt. Sein Fachwissen hat er vom Verein Konau 11 – Natur e.V. , der sich 2013 gegründet hat. Konau im Amt Neuhaus gilt als das weltweit einzige vollständig erhaltene Marschhufendorf. Das Anwesen Konau 11 hat die Sparkassenstiftung Lüneburg restauriert und dem Verein Konau 11 zur Verfügung gestellt.

Ziel des Vereins ist es zum einen, diese Obstbaumalleen und Streuobstwiesen als landschaftsprägendes Kulturgut zu erhalten, zum anderen, die Vielfalt der alten Obstsorten zu erhalten. Auch die Nutzung und Verarbeitung der Früchte ist ein Anliegen. Gelber Richard, Königlicher Kurzstiel, Rote Brasil oder Horneburger Pfannkuchen sind nur einige Namen, hinter denen sich wohlschmeckende Früchte verbergen. Über 100 Apfelsorten sollen im Amt Neuhaus wachsen. Zur Erhaltung der Obstbaumalleen gehört es auch, junge Bäume zu pflanzen, wen Lücken entstehen. Deshalb sieht der Verein auch seine Aufgabe darin, alte Obstsorten zu vermehren.

Der Verein bietet Kurse und Seminare rund um alte Obstsorten an. Interessierte können sich zum Obstbaumwart ausbilden lassen. Neben Fachwissen sei auch viel Erfahrung nötig, so Hildebrandt. Ein ausgebildeter Obstbaumwart bekommt eine Strecke zugewiesen, für deren Pflege er zuständig ist. Die Früchte in diesem Bereich können dann selbst geerntet werden. In der Regel schneidet Hildebrandt diese einmal im Jahr. „Besonders wichtig ist der Erziehungsschnitt bei jungen Bäumen. Das kann schon mal eine halbe Stunde pro Baum in Anspruch nehmen“, weiß er aus Erfahrung. Bei Fragen und Problemen gäbe es jederzeit Unterstützung von den hauptamtlichen Fachleuten beim Verein.

Bei älteren Bäumen gehe es eher darum, darauf zu achten, dass keine Äste ausbrechen. Jahrelang wurden die Bäume nur unter dem Aspekt geschnitten, dass sie den Straßenverkehr nicht beeinträchtigen. Das führte allerdings dazu, dass die Bäume Übergewicht zu einer Seite bekamen. „Hier versuchen wir gegenzusteuern.“

 

Regionale Küche im "Gelben Richard"

Hildebrandt ist mit 35 Jahren der jüngste Obstbaumwart im Verein. „Ich komme aus der Landwirtschaft, bin hier aufgewachsen und sehr mit der Region verwurzelt“, erklärt er sein Engagement. Nach dem Abitur studierte er in Lüneburg und Braunschweig Betriebswirtschaft und arbeitete danach in der Industrie. Es zog ihn wieder zurück in seine Heimat und vor ein paar Monaten übernahm er als Pächter das Restaurant und Café, das sich in einer ausgebauten Scheune auf dem Hof des Vereins Konau 11 befindet. „Ich bin kein Gastronom, aber mir ist es wichtig, in der und für die Region etwas aufzubauen.“ Namensgeber des Restaurants ist die alte Apfelsorte „Gelber Richard“, die 2014 zur Sorte des Jahres ernannt wurde.

„Sanfter Tourismus passt hier in das Amt Neuhaus“, ist Hildebrandt überzeugt. Ausschlaggebend sei gewesen, dass er einen guten Koch, der sich in Lüneburg in verschiedenen Restaurants bereits einen Namen gemacht hatte, für seine Ideen gewinnen konnte. „Wir kochen überwiegend mit regionalen Produkten.“ Das heißt, Gemüse, Kartoffeln, Eier, Fleisch, Fisch usw. kaufen sie bei Erzeugern im Umkreis von 50 Kilometern. Der junge Pächter des „Gelben Richard“ deutet auf die Tiere auf der Weide gegenüber: „Hier beziehe ich mein Fleisch. Ich hole das Rind selbst von der Weide und fahre es zum Schlachter.“ Nach dem Motto „Nose to Tail“ ist es sein Anspruch, das ganze Tier zu verwerten. Gäste seien oft überrascht, dass Schnitzel nicht auf der Speisekarte steht. „Aber ich kann ja nicht garantieren, dass wir immer Schnitzel haben und einzelne Fleischstücke nachkaufen. Das passt nicht zu der Philosophie.“ So gibt es in dem Restaurant in Konau keine feste Speisekarte, „aber die Gäste können sich darauf verlassen, dass es bei uns immer etwas Leckeres zu essen gibt – saisonal und regional.“ Gemeinsam mit seinem Koch experimentiert er, was man aus Fleischteilen machen kann, die nicht so gut gehen. „Das Grenzzaunschnitzel aus selbstgemachter Jagdwurst, paniert, mit Pilzsoße und Bratkartoffeln serviert, war in diesem Sommer der Renner.“