Der Traum von einer Brücke

Ein Feiertag, morgens um 9 Uhr, die Elbe liegt im Nebel. Eine ältere Dame aus Lüchow-Dannenberg steigt aus ihrem Auto und wartet, dass die Fähre kommt. „Für mich haben die Fahrten etwas Entschleunigendes.“ Sie gibt zu, dass sie die Fähre nur ein paar Mal im Jahr auf dem Weg zur Ostsee nutzt. Ob die Fähre durch eine Brücke zwischen Neu Darchau (linkselbisch) im Landkreis Lüchow-Dannenberg und Darchau (rechtselbisch), ein Ortsteil der Gemeinde Neuhaus im Landkreis Lüneburg, ersetzt werden soll, könne sie nicht beurteilen. „Eine Krankenschwester, die am Wochenende zu ihrem Dienst muss, wird dazu sicherlich eine Meinung haben.“ Die Fähre kommt und zwei Autos fahren drauf. „Eigentlich bin ich Frühaufsteherin und würde schon zwei Stunden früher fahren, aber das geht am Wochenende aufgrund der Fährzeiten nicht“, ruft sie noch hinterher.

Am anderen Elbufer wartet Marko Puls, Vorsitzender des Fördervereins Brücken bauen mit etwa 280 Mitgliedern. „Unser Ziel ist es, eine Brücke von Darchau nach Neu Darchau zu bauen. Dafür kämpfen wir.“ Das Thema ist nicht neu und wird seit der Wiedervereinigung diskutiert. „Uns wurde diese Brücke nach der Grenzöffnung versprochen“, stellt Puls klar. Mehrere Politiker der niedersächsischen Landesregierung versprachen, den Brückenbau zur Chefsache zu machen. Passiert ist nichts. Die Fähre fährt immer noch: täglich von 5 Uhr bis 21 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 9 bis 21 Uhr. Nachts bleiben nur die Elbbrücken in Dömitz oder Lauenburg. Dazwischen liegen etwa 70 Kilometer.

„Wir brauchen eine verlässliche Verbindung zwischen Amt Neuhaus und Neu Darchau“, so Puls. Er berichtet, dass die Fähre im letzten Jahr mehrere Wochen wegen Niedrigwasser nicht fuhr. Ausfälle gebe es auch bei Hochwasser, Eis oder Reparaturen. Für manche, die zur Schule oder zur Arbeit müssen, bedeute das unter Umständen einen Umweg von 70 Kilometern. Er berichtet von Schulkindern, die in Bleckede zur Schule gehen und im letzten Sommer teilweise Fahrzeiten zur Schule von zwei Stunden für eine Fahrt in Kauf nehmen mussten.

„Pläne für eine Brücke an dieser Stelle gibt es schon seit 1927. Bedingt durch den zweiten Weltkrieg wurde diese nicht gebaut“, weiß Puls. Deshalb wurde das rechtselbische Amt Neuhaus nach dem Krieg auch der sowjetischen Besatzungszone zugeschlagen. Aus historischen Gründen und auf Wunsch der Bewohner ging Amt Neuhaus 1993 wieder von Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen zum Landkreis Lüneburg zurück. „Ohne Brücke ist das östliche Gebiet des Landkreises Lüneburg abgeschnitten.“ Laut Verkehrsuntersuchung von 2010 überqueren an dieser Stelle im Schnitt täglich 620 Fahrzeuge die Elbe. Bliebe die Fähre, geht man davon aus, dass diese Zahl bis 2025 auf knapp 700 ansteigt. Gäbe es eine Brücke, stiege das Verkehrsaufkommen an dieser Stelle auf weit mehr als 3000 Fahrzeuge, da sich Verkehrsströme ändern würden.

Als Puls nach der Wende das erste Mal mit der Fähre nach Neu Darchau fuhr, wurde ihm bewusst, dass die Region auf der anderen Seite der Elbe genauso abgelegen sei – er drückt es etwas drastischer aus. Er widerspricht dem Vorurteil, dass die Brücke in erster Linie von den Menschen aus Neuhaus gebraucht und gefordert wird. Er beobachtet, dass die Fähre in beide Richtungen intensiv genutzt würde. Er geht davon aus, dass eine feste Elbüberquerung die Regionen östlich und westlich der Elbe stärken würde. „Nicht Amt Neuhaus braucht die Brücke, sondern die Kommunen auf beiden Seiten der Elbe“, stellt er klar.

Das Brückenbauprojekt, das nach Schätzungen von 2015 etwa 65 Millionen Euro kosten soll, hat im letzten Jahr wieder Fahrt aufgenommen. Das Land Niedersachsen hat zugesagt, 75 Prozent der tatsächlich anfallenden Kosten zu übernehmen. Auch Mecklenburg-Vorpommern wäre bereit, sich mit einer Million Euro an den Kosten zu beteiligen. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg, der die Verantwortung für den Bau an den Landkreis Lüneburg abgegeben hat, würde sich laut derzeitigem Stand mit 700 000 Euro beteiligen. Nun liegt ein erneuter Beschluss des Kreistages Lüneburg vor, die Planungen fortzusetzen und das Planfeststellungsverfahren aufzunehmen.

Es gibt auch eine Bürgerinitiative, die sich gegen das Projekt ausspricht. Mitglieder befürchten unter anderem mehr Verkehr und Umweltschäden im Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“ . Puls kann dem entgegensetzen, dass man laut Plänen die Straßenführung an Neu Darchau vorbeiführen will. Ein Teil der Trassenstrecke könnte mit dem Bau eines Deiches, den Neu Darchau braucht, verbunden werden.

Jedes Jahr am 3. Oktober organisiert der Verein seit acht Jahren das sogenannte Brückenfest. „Es kommen bis zu 8000 Besucher von beiden Seiten der Elbe“, so der niedersächsische Polizeibeamte mit Arbeitsplatz im Amt Neuhaus. Die Fähre beginnt ihren Dienst an diesem Tag trotz Feiertag schon früher, damit die Aussteller rechtzeitig mit dem Aufbau beginnen können. Dann kommen die Besucher mit der Fähre, um sich zu begegnen und Brücken zu bauen.