Leben, arbeiten und genießen

Am Anfang stand die Vision von vier Familien aus verschiedenen Ecken Deutschlands, eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft zu gründen. Dafür suchten sie 1985 einen geeigneten Ort für ihr Projekt – auch in Österreich und in der Schweiz. Durch Zufall fanden sie den Michaelshof, einen alten Bauernhof in Sammatz, der zum Verkauf stand. Sammatz ist ein kleiner Ort in der Gemeinde Neu Darchau links der Elbe im Landkreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen. Malerisch liegt das Bauerndorf in den hügeligen Elbhöhen.

Sammatz ist gewachsen und hat sich weiterentwickelt. Heute gehören zu dem Verein Michaelshof-Sammatz mehrere alte Bauernhäuser und Neubauten, die sich in das schmucke Dorf und in die Landschaft einfügen. Der Verein hat etwa 70 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die größtenteils auf dem Gelände leben, teilweise auch mit ihren Familien. Unterstützt werden sie von etwa 80 Freiwilligen aus aller Welt. Es gibt eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, in der 34 Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung oder emotionaler Störung in sechs Wohngruppen leben. Diese Jugendhilfeeinrichtung wird unter dem Dach der Arbeits- und Lebensgemeinschaft Sammatz von einem eigenen Verein betreut, der den Namen Peronnik trägt. Peronnik ist ein altes Märchen, in dem ein scheinbar dummer, zurückgebliebener Junge am Ende mehr kann als alle anderen und den bösen Zauberer besiegt. „Wertschätzung bestimmt die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, die eine echte Bereicherung für den Ort sind“, erklärt Olaf Hobe, Projektleiter in Sammatz. „Sie werden nach Möglichkeit in das Dorfleben integriert. Das Gefühl, gebraucht zu werden, gibt ihnen Selbstbewusstsein.“

 

Alte Haustierrassen auf dem Archehof

Im Mittelpunkt der Arbeit von Sammatz steht die Landwirtschaft. Der anerkannte Demeter-Betrieb bewirtschaftet mittlerweile 100 Hektar. In diesem Jahr, 30 Jahre nach der Grenzöffnung, konnte der Verein Flächen auf der rechten Elbseite dazubekommen. Dort wird Futter für die Tiere angebaut und Angler Sattelschweine, eine gefährdet Haustierrasse, gehalten. Auf dem Arche-Hof in Sammatz leben Rinder, Schafe, Ziegen, Esel, Enten, Hühner und Puten. „Hier geht es um alte Haustierrassen, die vom Aussterben bedroht sind. „Wir nutzen die Tiere wie auf jedem richtigen Bauernhof – Schützen durch Aufessen“, zitiert Hobe das Motto der Arche-Höfe. „Aber auch für therapeutische Zwecke für unsere Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung sind die Tiere wichtig“, ergänzt Hobe.

Sammatz ist auch ein Ausflugsziel für Menschen aus der Region und den umliegenden Städten. „Im letzten Jahr kamen 15000 Besucher zu uns. Sie können hier einen wunderbaren Tag verbringen, auf verschlungenen Wegen der Gärten und Parks spazieren, den Arche-Hof mit alten Nutztierrassen besuchen, im Tropenhaus exotische Vögel und Pflanzen bewundern, im Hofladen einkaufen oder im Café Spezialitäten aus der eigenen Produktion genießen“, erklärt Hobe die Vielfalt. Da Sammatz wächst und immer wieder neue Projekte realisiert werden, gibt es auch immer wieder etwas zu entdecken. In einem ehemaligen Kiesabbau, der jahrzehntelang als wilde Müllkippe genutzt wurde, ist der Waldsee entstanden. 1500 Meter Natursteinmauern mit Blumenbeeten wurden angelegt, um das Gefälle abzufangen. „Das wäre ohne unsere Freiwilligen nie möglich gewesen.“ Das Gelände lädt zum Spazieren ein, wird aber auch für Konzerte genutzt. Hobe schwärmt von der Akustik und wunderschönen Sommerkonzerten mit 300 bis 600 Besuchern.

 

Die Welt zu Gast im kleinen Elbdorf

Olaf Hobe hatte einige Semester Wirtschaftswissenschaften studiert, als er 1993 nach Sammatz kam. Er blieb und ist jetzt schon lange im Leitungsteam tätig. „Mittlerweile sind es 26 Jahre.“ Anscheinend kommt es öfters vor, dass Menschen länger bleiben als geplant. Tobias, ein Freiwilliger aus Deutschland, pflanzt gerade gemeinsam mit anderen Freiwilligen aus aller Welt junge Bäume in frische Erde. Der 30-Jährige macht nach 14 Jahren Berufstätigkeit in der Bau- und Immobilienbranche ein Sabbatjahr. „Ich wollte eigentlich einen Monat bleiben und dann weiterziehen.“ Mittlerweile ist er seit acht Monaten hier. „Warum weiterreisen, wenn es hier so schön ist?“ Er geht nicht davon aus, dass er in den alten Job zurück geht. „Dazu wird hier zu sehr der Hunger geweckt, andere Sachen auszuprobieren.“

„Wir sind seit vier Jahren Gastgeber für Menschen aus aller Welt, die gegen Kost und Logis freiwillig bei uns arbeiten“, erklärt Hobe. Das ist in allen Bereichen möglich: Landwirtschaft, Gärtnerei, Küche, Meierei, Bäckerei, Hofladen oder Bauen. „Dieses Projekt ist uns sehr wichtig und dafür investieren wir auch viel Zeit“, so Hobe, der für die Umsetzung neuer Projekte zuständig ist. Es wurde ein eigenes Haus mit Unterkunftsmöglichkeiten und Gemeinschaftsräumen für bis zu 45 Menschen gebaut. Lisa aus Dänemark sitzt mit Laptop in der großzügigen, hellen Eingangshalle mit Küche und gemütlichen Loungemöbeln. Sie kam 2016 das erste Mal nach Sammatz. Immer wenn es ihr Psychologiestudium erlaubt, kommt die 23-Jährige zurück. Diesmal arbeitet sie auf dem Michaelshof und macht gleichzeitig ein psychologisches Experiment für ihr Studium.

Sammatz soll sich noch weiter entwickeln. Geplant ist zum Beispiel, den Seminarbereich im Haus der Natur weiter auszubauen, Übernachtungsmöglichkeiten für Besucher zu schaffen, mehr Kunst und Kultur zu fördern und die Landwirtschaft auszuweiten.

Nachhaltig, offen, zukunftsweisend und international soll Sammatz sein. „Wir wollen gestalten und Wege finden, wie man wertschätzend gegenüber Mensch und Natur zusammenleben kann“, versucht Hobe die Vision zu erklären, die die Gründergeneration schon hatte und die heute noch gilt.