Lebensqualität in der Mini-Stadt

Schnackenburg an der Elbe ist die kleinste und östlichste Stadt in Niedersachsen. Sie war von drei Seiten von der DDR umgeben. Knapp 600 Menschen leben hier. Infrastruktur, wie man das von einer Stadt erwartet, gibt es so gut wie keine. Aber es gibt ein nahezu vollkommen erhaltenes historisches Stadtbild mit vielen schönen, teilweise herrschaftlichen Häusern, einen Marktplatz, ein Grenzlandmuseum und einen Hafen. Viele Häuser sind vorbildlich renoviert, es gibt aber auch Leerstand und Gebäude mit Schildern „zu verkaufen.“

Andreas Marquardt ist Restaurator und Künstler. Er lebt zusammen mit seiner Frau, die eine Ölmühle betreibt, in Schnackenburg. Als sich das Paar, das an verschiedenen Orten in Sachsen-Anhalt lebte, vor mehr als zehn Jahren örtlich verändern wollte, stellten sie eine Liste an Kriterien auf, die das zukünftige Zuhause idealerweise erfüllen sollte: Große Bäume, Garten, Wasser in der Nähe, ruhig, altes, aber nicht kaputtes Haus, viel ebenerdige Fläche zum Arbeiten und es sollen kultivierte Menschen dort leben. „Wir haben europaweit gesucht“, so Marquardt. „Am Schluss blieben zwei Objekte im Wendland in der näheren Auswahl, darunter auch das Haus in Schnackenburg.“

Die Marquardts entschieden sich für das „Deutsche Haus“ in Schnackenburg, eine ehemalige Gaststätte mit großem Saal, Nebengebäude und einem idyllischen Garten. Schnackenburg hat das Schicksal einer ostdeutschen Kleinstadt ereilt, beschreibt Marquardt die Situation, obwohl die Stadt auf westlicher Seite der Elbe liegt. Die Stadt blühte bis zur Grenzöffnung und Wiedervereinigung, solange Zoll, Wasserschutzpolizei und Bundesgrenzschutz ansässig waren.

Jetzt macht sich eine gewisse Hilflosigkeit und Ratlosigkeit in der Stadt breit, wie man der kleinen hübschen Stadt direkt am Elberadweg wieder mehr Leben einhauchen könnte, beobachtet Marquardt. Er beteiligte sich mit seinem Atelier und seiner Restaurierungswerkstatt an der „Kulturellen Landpartie“, ein Kunstfestival in Ateliers, Werkstätten und Bauernhöfen im ganzen Wendland. „Das hat andere Maler und Malerinnen nach Schnackenburg gelockt. Künstler haben die Stadt als Refugium entdeckt. Mittlerweile sind wir zu fünft hier.“

Die Stadt hat erkannt, dass Schnackenberg neue Bewohner braucht. „Aber es fehlt an der Umsetzung“, kritisiert Marquardt. „Das städtische Engagement ist zu schwach.“ Für ihn ist Strukturschwäche immer eine Folge von politischen Fehlentscheidungen. Seit Jahren sei es erklärtes Ziel, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. „Passiert ist nichts.“ Marquardt berichtet von einer Initiative von Bürgern der kleinen Stadt, die sich 2015/2016 dafür stark machte, bewusst kinderreiche Flüchtlingsfamilien nach Schnackenburg zu holen. Bürger seien bereit gewesen, diese Familien zu betreuen. „Die Ansiedlung hätte eine Entwicklungsmaßnahme sein können und den Wirtschaftskreislauf in Gang bringen können“, erklärt er die Vision. Dann hätte es sich gelohnt, die Busverbindungen zu verbessern und einen kleinen Laden zu eröffnen, man hätte Menschen beschäftigen können, um weitere Häuser zu renovieren, zählt Marquardt auf. Er bedauert, dass nichts von diesen Vorschlägen umgesetzt worden sei und alles beim alten blieb.

Einmal im Jahr erwacht Schnackenburg und blüht auf. Seit bald 30 Jahren gibt es das Kammermusikfestival „Schubertiaden“ in der Stadt an der Elbe. Der künstlerische Leiter Prof. Arkadi Zenzipér stammt aus St. Petersburg, lehrt an der Hochschule für Musik in Dresden und hat einen Wohnsitz in Schnackenburg. Der Pianist lädt jedes Jahr im August international bekannte Künstler aus aller Welt nach Schnackenburg ein, um gemeinsam zu musizieren und Konzerte zu geben. Die Freude am Musizieren steht im Vordergrund. Die Konzerte sind kostenlos, die Musiker spielen ohne Honorar und leisten damit einen Beitrag für die Region.

Marquardt erzählt, dass für die Schubertiade viel Unterstützung von den Menschen aus der Stadt notwendig sei. Aber das funktioniere sehr gut. „Es helfen alle mit und arbeiten gemeinsam“, freut er sich. „Ich wollte immer eine Nachbarschaft haben, mit der ich was anfangen kann“, erinnert Marquardt an die Wunschliste von vor zehn Jahren. „Die Lebensqualität hier ist sehr hoch. Für Selbstständige ist es hier super.“