Vom Stadtwald zum Sorgenkind

Das Grüne Band Sachsen-Anhalt ist jetzt auch Nationales Naturmonument. Das hat der Landtag in Magdeburg beschlossen. Damit stehen über drei Viertel des Grünen Bandes in Sachsen-Anhalt unter diesem Schutzschirm. Diese relativ neue Schutzkategorie ist seit 2010 im Bundesnaturschutzgesetz verankert. Thüringen hat seine 763 Kilometer Grünes Band bereits im letzten Jahr als Nationales Naturmonument ausgewiesen. Für Dieter Leupold, Projektleiter Grünes Band Sachsen-Anhalt für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), geht die Arbeit nach der entscheidenden Landtagssitzung sofort weiter. In seinem Büro in Salzwedel wartet eine Gruppe von Koreanerinnen, die sich darauf vorbereitet, wie ein Grünes Band in Korea touristisch genutzt werden könnte, falls sich die Grenze zwischen Nord- und Südkorea öffnen sollte.

Leupold arbeitet seit 1991 im Bereich Naturschutz in der Altmark. Seit über zwölf Jahren koordiniert er für den BUND alle Angelegenheiten rund um das Grüne Band in Sachsen-Anhalt. Er betont gegenüber den Koreanerinnen den Dreiklang aus Naturschutz, Grenzgeschichte und Kultur am Grünen Band. Erstaunt hören die Koreanerinnen, dass etwa ein Drittel des Grünen Bandes in Sachsen-Anhalt Lücken im Biotopverbund aufweisen und dass es Ziel sei, diese Lücken zu schließen.

Sorgen macht sich Dieter Leupold im Moment um den Salzwedeler Stadtwald vor den Toren der ehemaligen Hansestadt. Diese 1500 Hektar, die unmittelbar an das Grüne Band angrenzen, wurden vor zwei Jahren an eine Privatperson verkauft, um den Stadthaushalt zu sanieren. Leupold hatte große Bedenken, der BUND konnte aber nicht verhindern, dass der Wald privatisiert wurde. „Diese Feuchtwälder gehören zu den bedeutendsten in Deutschland“, unterstreicht Leupold die Bedeutung des Areals. „Diese wurden 70 Jahre forstwirtschaftlich nicht genutzt, da sie zu feucht sind und im Grenzgebiet lagen. Jetzt musste er feststellen, dass Staueinrichtungen zerstört bzw. außer Kraft gesetzt wurden, so dass ein Teil der Feuchtwälder entwässert wurde. Schon in diesem Frühjahr sei die Blüte der Wasserfeder großflächig ausgeblieben. Für Leupold ein Alarmzeichen. „Die Wasserstände sind stark abgesunken.“ Dies könne man nicht nur auf die Trockenheit zurückführen, denn die würde sich erst später im Jahr bemerkbar machen. Für Leupold geht es aber nicht nur um die Wasserfeder, vielmehr sei dieser nasse Wald ein europäisches Schutzgebiet. „Hier brüten zum Beispiel Kraniche, die als Schutz vor Fressfeinden das Wasser benötigen.“ Außerdem bestehe die Gefahr, dass diese großen Moorgebiete erheblichen Schaden nehmen, wenn ihnen das Wasser entzogen wird. Diese seien aber von großer Bedeutung für den Wasserhaushalt, da sie wie Schwämme große Mengen Wasser aufnehmen können. Gleichzeitig dienen sie als CO2-Speicher. „Bei zu niedrigem Wasserstand lösen sich die Moore auf und setzten bis zu 30 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr frei“, so der Fachmann. „Dies ist eine ähnliche Dimension wie die Freisetzung durch den Flugverkehr in Deutschland.“

Das Feuchtgebiet mit seinen Wasserflächen ist außerdem ein wichtiger Zwischenstopp für Wasservögel auf ihren Reisen von Nord nach Süd und zurück. „In diesem Herbst waren die Kraniche einige Wochen hier.“ Leupold schwärmt von der Schönheit der Tiere und den trompetenartigen Rufen, die man in den frühen Morgenstunden hören kann. „Wahrscheinlich haben sie jetzt das gute Wetter für ihre weite Reise Richtung Süden genutzt“, erklärt er, warum die Sumpfvögel verschwunden sind. Dafür machen sich in der Dämmerung Tausende von Gänsen mit einer beeindruckenden Geräuschkulisse auf den Weg. Ob sie ausschwärmen, um sich auf umliegenden Äckern satt zu fressen oder um weiter ziehen, ist nicht klar.

Leupold will in Zukunft regelmäßig die Wasserstände in dem Bruchwald kontrollieren. „Aber wenn ich sehe, dass Himbeeren, Brennnessel und Hopfen statt Seggen, Sumpfschwertlilie und Wasserfedern in den Erlenwäldern wachsen, weiß ich, wie es dem Wald geht.“

„Wir sind dabei, die rechtlichen Möglichkeiten auszuloten“, so der Biologe angesichts der Manipulationen an den Stauanlagen. Mittlerweile hat der BUND Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Eine vorsätzliche Zerstörung oder Beeinträchtigung von Lebensräumen besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten ist eine Straftat, stellt Leupold klar.