Grünes Band trifft Karstwanderweg

Bevor das Grüne Band bei Walkenried nach Norden auf die Höhen des Harzes abbiegt, trifft es auf den Karstwanderweg, der durch eine in Europa einmalige Karstlandschaft führt. Karst kommt aus dem slowenischen und heißt so viel wie steiniger und unfruchtbarer Boden. Auf einer Länge von etwa 100 Kilometern erstreckt sich am Südrand des Harzes ein bewachsener Karstgürtel, der bis zu 30 Kilometer breit ist. Diese Landschaft besteht aus Gipsgestein, das sich in Wasser auflöst. Dadurch verändert sich die Landschaft kontinuierlich und es ist eine Karstlandschaft entstanden, die durch Erdfälle und Höhlen, Gipssteilhänge und Buckellandschaften gekennzeichnet ist.

Genau durch diesen Karstgürtel am Südharz führt auf etwa 250 Kilometern Länge der Karstwanderweg. Er geht von Pölsfeld bei Sangerhausen bis Förste bei Osterode durch die Landkreise Mansfeld-Südharz, Nordhausen und den ehemaligen Landkreis Osterode, der heute zu Göttingen gehört. Somit verbindet der Südharzer Karstwanderweg, die Länder Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Niedersachsen hat mit etwa 150 Kilometern den größten Anteil. Der Weg ist nach den Kriterien des Deutschen Wanderverbandes zertifiziert. Symbol ist ein weißes „K“ auf rotem Balken.

Es gibt in jedem Landkreis einen Förderverein, der sich um diesen Weg kümmert. Andreas Heise ist Vorsitzender des Fördervereines Karstwanderweg im Landkreis Nordhausen. Vertreter aller drei Vereine treffen sich regelmäßig in der länderübergreifenden Arbeitsgemeinschaft ‚Drei Länder – Ein Weg – Karstwanderweg Südharz‘, um Wegeführung, Beschilderung und touristische Vermarktung zu diskutieren. Heise erklärt am Beispiel der neuen Ortsumgehung für Mackenrode entlang der B 243, welche Auswirkungen der Straßenbau für Wanderer hat. Der Karstweg muss an dieser Stelle eine neue Wegeführung bekommen. Noch ist nichts ausgeschildert. Heise hat die neue Strecke schon mit seinen Kollegen ausgetüftelt. Sie ist ein bisschen weiter, führt dafür aber durch schöne Buchenwälder und vorbei an einem riesigen Erdfallsee. „In der nächsten Woche werden wir die alten Schilder abnehmen und die neue Strecke ausweisen.“ Die neuen Schilder sind schon in Auftrag gegeben.

Der Karstwanderweg ist nicht nur für Menschen interessant, die sich tagelang auf Wanderschaft begeben, sondern eignet sich auch für kleinere Wanderungen und Spaziergänge. „Es gibt zahlreiche Rundwanderwege um den Karstweg“, weiß Heise. Außerdem gibt es regelmäßig geführte Wanderungen in verschiedenen Karstregionen. „Das wird immer sehr gut angenommen“, so Heise, der selbst regelmäßig Wanderungen anbietet. Dort wo der Karstgürtel besonders breit ist, gibt es zwei parallele Routen des Karstwanderweges, die an manchen Stellen verbunden sind, so dass auch hier Tagestouren möglich sind.

„Man muss den Blick für die Besonderheiten dieser Landschaft erst schärfen“, so Heise. Es ist eine sehr abwechslungsreiche, kleinteilige Landschaft. Und immer wieder gibt es diese Einbrüche in der Erde, die sogenannten Erdfälle. Durch die Hohlräume, die in dem Gipsgestein entstehen, bricht die Erde ein. Heise zeigt, dass auch die Bäume mit nach unten „fallen“ und unbeirrt weiterwachsen. So ragen alte Buchen aus tiefen Erdlöchern heraus. Manche Erdfälle füllen sich mit Grundwasser und es entstehen kleine oder größere Tümpel. Manche Erdfallseen haben einen Zufluss und Abfluss, so dass sie sich zu Seen mit Seerosen entwickeln. Heise macht auch auf das weiße Gipsgestein aufmerksam, dass man nicht nur in den Steinbrüchen findet, sondern auch am Wegesrand.

Die Arbeitsgemeinschaft für den Karstwanderweg beschäftigt sich auch mit der Infrastruktur. Heise bezeichnet sie als „ok“ für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. „Thüringen ist auf dem Weg.“ Das heißt wahrscheinlich, dass der Rucksack sicherheitshalber mit Verpflegung gut gefüllt sein sollte. Und die Übernachtungen sollte man vorweg buchen.

Wer den Karstwanderweg geht, wird mit grausamen Verbrechen während der Nazidiktatur konfrontiert. Andreas Heise weist auf das Schicksal der Häftlinge hin, die die Helmetalbahn bauen sollten. Beim Bau dieser 22 kilometerlange Zugstrecke westlich von Walkenried schufteten Tausende von KZ-Häftlingen aus Belgien, Deutschland, Jugoslawien, Frankreich, Holland, Polen, Russland und Ungarn. Hier sollten Rüstungsgüter transportiert werden. Es fuhr nie ein Zug. Eine Infotafel und ein Erdwall des früheren Bahndamms erinnern heute daran. Andere Erinnerungsorte an die Verbrechen der Nazis an KZ-Häftlingen entlang des Karstwanderweges sind das ehemalige Außenlager Ellrich-Juliushütte zwischen Walkenried und Ellrich sowie das KZ Mittelbau Dora nördlich von Nordhausen.

Auf dem Karstwanderweg kommen alle auf ihre Kosten: Naturliebhaber, die einfach nur die abwechslungsreiche, kleinräumige Landschaft genießen wollen, aber genauso Interessierte an Geologie, Naturschutz oder Geschichte. Infotafeln am Weg geben Informationen zu all diesen Themen. Rund um Walkenried ergänzen sich das Grüne Band und der Karstwanderweg wunderbar und befördern sich gegenseitig. Teilweise verlaufen sie in diesem Bereich parallel, teilweise kreuzen sie sich, so dass Wanderer wählen können. Viel entscheidender ist aber, dass hier Biotope aufeinandertreffen, die Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen bieten. Für Fernwanderer auf dem Grünen Band ist es eine willkommene Abwechslung, „dort, wo der Harz am südlichsten ist“ mal nicht auf dem Kolonnenweg zu laufen.

 

Nähere Informationen unter www.karstwanderweg.de