Ein Baumeister für den Naturschutz

Der Biber, der fast 400 Jahre aus der Landschaft verschwunden war, hat es Stephanie Hellmann und Thomas Wiechmann angetan. Fasziniert erzählen sie von der Anatomie des Tieres, seinem Lebensraum und seiner Bedeutung für den Naturschutz und die Artenvielfalt. Sie sind zwei von insgesamt zirka 60 Biberberatern in Thüringen. Zusätzlich haben sie das Bildungsprojekt „In der Werra bibert es…“ entwickelt. Damit gehen sie in Schulen im Gebiet des Naturparks Eichsfeld-Hainich-Werratal.

Angefangen hat das Interesse und das Engagement der beiden für den Biber 2013 bei einer Wanderung mit dem Naturschutzbund Thüringen an dem Grenzfluss, der Werra. Gleichzeitig war ein Wettbewerb für die Einreichung von Ideen für den Naturpark ausgeschrieben worden. Die beiden erarbeiteten innerhalb weniger Monate ein Bildungsprogramm, wie sie Kindern im Alter von 6 bis 14 Jahren im Klassenzimmer den Biber näher bringe können. Die beiden waren einer der Preisträger und konnten mit dem Preisgeld die ersten benötigten Materialien anschaffen.

„Zu Beginn des Programmes versuchen wir erst einmal die Kinder für uns bzw. für den Biber zu gewinnen“, erläutert Thomas Wiechmann, im Hauptberuf kaufmännischer Angestellter. Das gelingt folgendermaßen: 25 Kinder sitzen mit Schwimmwesten in einem Schlauchboot mitten im Klassenraum. Unter dem Boot befinden sich zwei Schläuche für Treckerreifen, damit das Boot instabil wirkt. Gezeigt wird ein kurzer Einführungsfilm, der direkt auf der Werra endet. „Genau in diesem Moment spritzen wir die Kinder mit Wasser aus Spritzflaschen nass“, erläutert Hellmann. „Dann können wir mit unserer Theorie beginnen“, ergänzt Wiechmann.

Noch ist der Biber in Thüringen nicht sehr verbreitet. Nach Schätzungen sind es derzeit 200 Tiere, überwiegend in der Werra und in der Saale. „In Bayern sind es derzeit 10 000 Tiere“, macht Hellmann deutlich, was auf Thüringen zu kommen kann. Denn während die einen sich freuen, dass der Biber zurückkommt, fürchten ihn andere. „Der Biber birgt viel Konfliktpotenzial“, wissen Hellmann und Wiechmann aus ihrer Arbeit als ehrenamtliche Biberberater.

Der Biber gestaltet seinen Lebensraum und somit die Landschaft um sein Revier herum aktiv. Damit greift er in die bestehende Kulturlandschaft ein und es kommt zu Konflikten mit Landwirten und anderen Grundstückseigentümern. Eigentlich frisst der Biber während der Vegetationszeit Kräuter und Pflanzen. „Aber wenn Mais und andere Feldfrüchte bis an den Uferbereich angebaut werden, nutzt der Biber auch diese als Futter“, erklärt Wiechmann. Der Biber fällt Bäume in Ufernähe, die für ihn Nahrungsmittel und Baumaterial gleichzeitig sind. Der Biber legt Bauten im Uferbereich als Schutz- und Rückzugsraum an. Im schlimmsten Fall kann es zu Erdeinbrüchen durch schwere Fahrzeuge kommen. Durch Dämme, die der Biber baut, kann es zu Überflutungen von ufernahen Flächen kommen.

Wiechmann und Hellmann stellen klar, dass der Biber und seine Bauten unter Naturschutz stehen. „Wir sollten also mit ihnen leben.“ Und genau da setzt ihr Bildungsprojekt in Schulen an. Sie bezeichnen es auch als Prävention. Die beiden Biberexperten gehen davon aus, dass der Biber in den nächsten Jahren vermehrt nach Thüringen und auch in den ehemaligen Grenzfluss Werra zurückkommen wird. „Deshalb ist es so wichtig, dass die nächste Generation über die Bedeutung dieser Tiere für den Naturschutz weiß.“

„Der Biber sorgt für Artenvielfalt“, bringt es die Biologin, die beruflich in Naturschutzprojekten arbeitet, auf den Punkt. „Wenn der Biber wieder da ist, kommen auch andere Tiere zurück.“ Biber schaffen neue, abwechslungsreiche Landschaften, die vielen Tieren Lebensraum bieten. Hellmann zählt auf: Fische, Insekten, Amphibien, Vögel usw. „Auch der Schwarzstorch könnte mit dem Biber zurückkommen“, mutmaßt die Biologin.

Biberberater helfen, mögliche Konflikte zwischen Grundstückseigentümer und Bibern zu lösen. „Wir raten Landwirten zum Beispiel, mit dem Anbau von Feldfrüchten zehn bis 15 Meter Abstand vom Ufer zu halten, um Fraßschäden zu vermeiden“, erklärt Wiechmann. Alternativ könne die Fläche auch in extensives Grünland umgewandelt werden. Dann müssen Landwirte nicht mehr mit schweren Fahrzeugen auf die Fläche und ein Einbrechen kann verhindert werden. Wertvolle Gehölze direkt am Ufer könnten mit Maschendraht geschützt werden. „Im Moment gibt es in Thüringen noch kein Recht auf Entschädigung durch Biberschaden“, ergänzt Hellmann. „Deshalb beraten wir, dass es gar nicht erst zu Schäden kommt.“ Manchmal werden die beiden Biberberater auch gerufen, wenn der Biber schon aktiv war.

Die Kinder im Klassenzimmer, die an dem Bildungsprojekt teilnehmen, lernen im Schlauchboot den Biber anhand von Präparaten, Anschauungsmaterial und Experimenten kennen. Die Kinder sehen sogar Filmaufnahmen von Bibern beim Fällen und Nagen eines Baumes, die mittels einer Fotofalle entstanden sind. „Diese Aufnahmen sind ein Glücksfall für uns“, freut sich Wiechmann immer noch. „Unser Bildungsprogramm eignet sich für die Klassen zwei bis zehn. Wir sind flexibel und können die Inhalte auf unterschiedliche Altersstufen anpassen.“ Das Biberprogramm dauert mindestens zwei, meist vier Schulstunden.

Das ganze findet im Klassenzimmer statt, da nicht jede Schule ein Biberrevier vor der Tür hat. Zum anderen soll ein Bibertourismus vermieden werden. Wer mehr Interesse hat, könne spezielle Biberführungen buchen. Im Winter nutzen Wiechmann und Hellmann das Schlauchboot und fahren selbst auf der Werra, um zu sehen, wo es neue Biberreviere gibt. Und sie entdecken jedes Jahr neue.

 

Hinweis, für alle, die meine Geschichten mit der Landkarte verfolgen: Aus terminlichen Gründen hat es mit einem Treffen im Bereich Werra nicht geklappt, so haben wir uns auf meiner Strecke in einer Gaststätte in Fuhrbach nordöstlich von Duderstadt am Grünen Band getroffen. Stephanie Hellmann und Thomas Wiechmann haben mir anhand von Bildern und Fotos ihre ehrenamtliche Arbeit erklärt. Und Bibertourismus ist ja nicht erwünscht.

Fotos: Thomas Wiechmann (3)