Heinz Sielmann drehte auf der ganzen Welt legendäre Tierfilme. Auch sein Film „Tiere im Schatten der Grenze“, den er 1988 an der innerdeutschen Grenze produzierte, wirkt bis heute. Der Filmemacher engagierte sich bis zu seinem Lebensende dafür, dass der ehemalige Todesstreifen für den Naturschutz erhalten bleibt. Er gründete gemeinsam mit seiner Frau Inge 1994 die Heinz Sielmann Stiftung, die ihren Sitz auf Gut Herbigshagen bei Duderstadt hat, etwa einen Kilometer von der ehemaligen Grenze und dem heutigen „Grünen Band“ entfernt.
Aber Gut Herbigshagen ist mehr als der Sitz einer Stiftung, die eine Vielzahl von Biotop- und Artenschutz-Projekten in ganz Deutschland betreibt und unterstützt. „Gut Herbigshagen ist ein lebendiger Lern- und Erfahrungsort“, so Carolin Ruh, Stiftungsvorstand und Leiterin des Natur-Erlebniszentrums. „Hier können Familien und Kinder Natur erleben und erfahren. Ziel der Stiftung ist es, Menschen für einen bewussten Umgang mit Natur und Umwelt zu sensibilisieren.“
Aber dazu müsse man erst einmal die Natur in ihrer Vielfalt kennenlernen. Carolin Ruh, die seit Anfang des Jahres für die Sielmann Stiftung arbeitet, erläutert anhand eines Planes, was Herbigshagen alles bietet. Zum Gut gehören 110 Hektar Fläche, davon werden 70 Hektar von einem Landwirt ökologisch bewirtschaftet. Auf dem restlichen Gelände befinden sich Streuobstwiesen mit 800 Apfelbäumen und anderen Obstsorten, ein Damwildgehege und jede Menge Natur zum Entdecken. Das Gelände ist frei zugänglich und eignet sich somit für einen kleinen Spaziergang oder auch um einen ganzen Tag dort zu verbringen. Besucher können sich an Erlebnisstationen mit den unterschiedlichsten Themen auseinandersetzen. Es gibt zum Beispiel den Bauerngarten, die Schilfkläranlage, eine Kräuterspirale, die Streuobstwiesen, Hecken, Insektennistwände, das Bienenhaus und das KikA Baumhaus etc. Überall gibt es Informationen und Dinge, die man spielerisch entdecken kann.
„Das ist eines unserer Stiftungsziele, Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, durch persönliches Erleben an einen positiven Umgang mit der Natur heranzuführen“, erläutert Ruh. Schulklassen sind eine wichtige Zielgruppe für das Gut. Sie können einen Tag oder auch eine Woche dort verbringen. Umweltpädagogen kümmern sich um das entsprechende Programm. In einer eigenen Unterkunft auf dem Gelände kann jeweils eine Schulklasse untergebracht werden. Ruh berichtet, dass es in diesem Sommer erstmals ein Sommercamp für Kinder aus ganz Deutschland gab. Finanziert wurde es von einem Discounter, um Nachhaltigkeit und Umweltbildung zu fördern. Es war öffentlich ausgeschrieben, Familien konnten sich dafür bewerben. Ruh berichtet auch von Ferienprogrammen, die wochenweise von Unternehmen aus der Region gebucht und für Mitarbeiterkinder kostenlos angeboten werden. „Für Kinder ist es eine Hortalternative und Eltern wissen ihre Kinder auch in den Ferien sinnvoll betreut.“
Die Arbeit der Stiftung wird überwiegend durch Spenden finanziert. Ruh geht davon aus, dass es in Zukunft schwieriger wird, Spenden zu bekommen, da die Stiftung keine prominente Persönlichkeit in der Außendarstellung mehr hat (in diesem Jahr starb Inge Sielmann). „Unsere Spender sind mit Sielmanns Tierfilmen groß geworden und sind uns deshalb treu.“ Aber diese Gruppe wird älter und in der nächsten Generation sei Sielmann nicht mehr so bekannt. „Die gesellschaftliche Diskussion um Nachhaltigkeit spielt uns zum Glück zu, das heißt, die Menschen können sich mit unseren Inhalten identifizieren. Wir müssen diese nur entsprechend kommunizieren.“ Darin sieht Ruh als Expertin für nachhaltigen Tourismus eine ihrer derzeitigen Hauptaufgaben.
Gut Herbigshagen liegt nicht nur am Grünen Band, sondern ist eng mit ihm verbunden. Eine Ausstellung in einem der Gebäude ist diesem Biotopverbund gewidmet. „Es gibt gemeinsame Veranstaltungen mit dem Grenzlandmuseum Eichsfeld, denn beim Grünen Band geht es um Erinnerungskultur und Naturschutz. „Da ergänzen wir uns wunderbar.“
Bis zu 65.000 Besucher kommen pro Jahr auf das Gut Herbigshagen, um ökologische Landwirtschaft, Umweltbildung und Naturerholung zu erleben. In den letzten drei Jahren seien die Zahlen aufgrund von großen Umbaumaßnahmen etwas zurückgegangen. Leiterin Carolin Ruh ist optimistisch, dass sie diese Zahlen wieder erreichen werden. Sie hat noch viele Pläne und Ideen, wie man noch mehr Besucher entsprechend des Leitsatzes „Vielfalt ist unsere Natur“ in das Natur-Erlebniszentrum locken könnte: Eine App, mit der man sich noch intensiver mit Naturschutzthemen auf dem Gelände befassen kann, eine Ladestationen für E-Bikes und E-Autos, noch mehr Marketing über das Eichsfeld hinaus, mehr Besuchergruppen usw.
Nach dem Umbau des Haupthauses eröffnet das Café am 15. September wieder. „Dann ist Gut Herbigshagen im Eichsfeld wieder ein Ort des Verweilens, an dem die Menschen umgeben von Natur eine entspannte Zeit verbringen können.“