Selbstständig im Sperrbezirk

Conny Reiher hat sich schon zu DDR-Zeiten selbstständig gemacht. Im Juli 1987 eröffnete sie in Siemerode im Landkreis Eichsfeld Conny‘s Eiscafé – mit drei Eissorten: Vanille, Erdbeere und Schokolade. Mehr Sorten gab es bei uns damals in der DDR nicht“, so die 57-Jährige.

Eigentlich war es immer der Traum meines Vaters, ein eigenes Eiscafé zu betreiben. Allerdings war er krank, so dass dies nicht möglich war. Reiher hatte Bauzeichnerin gelernt, aber es gab in ihrem Beruf keine Arbeitsstelle, die sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte erreichen können. Sie bekam einen anderen Job, der ihr wenig Freude bereitete. Sie suchte nach Alternativen. Aus einer Laune heraus kam die Idee, dass sie das Eiscafé betreiben könnte, von dem ihr Vater geträumt hatte. Ihr Antrag beim Rat des Kreises in Heiligenstadt wurde geprüft. „Es war schwierig in der DDR, sich selbständig zu machen. Ich sollte eine Kooperation mit dem Konsum oder HO einzugehen. Das wollte ich allerdings nicht.“ Irgendwann kam Bewegung in die Angelegenheit. Da der Betreiber der staatlichen Gaststätte im Ort nach einem Besuch im Westen nicht zurückkam, wurde ein Nachfolger gesucht. „Dann hieß es: Wenn Ihr Mann die Gaststätte macht, dann dürfen Sie Ihr Eiscafé eröffnen.“ Das Ehepaar überlegte und ging auf den Deal ein. So wurde ihr Mann, eigentlich gelernter Mechaniker, Angestellter des staatlichen Einzelhandelsunternehmens HO. „Ahnung hatten wir zu diesem Zeitpunkt beide nicht“, lacht Conny Reiher. Aber in der Gaststätte sei das kein Problem gewesen. Bier und Schnaps ausschenken konnte mein Mann, zu essen gab es nicht viel. Conny Reiher dagegen musste zu Fortbildungen nach Erfurt. „Über Eisherstellung hat mir dort keiner etwas erzählt, dafür aber viel über Politik und Hygiene.“ Allerdings lernte sie in Erfurt eine Frau kennen, die schon Erfahrung in der Eisherstellung hatte. „Sie schrieb mir alle Arbeitsschritte auf. Von ihr erfuhr ich auch, wo ich die Zutaten kaufen konnte. Die Milch bekam ich im Ort vom Bauern.“ Und dann probierte Reiher Eis zu machen. „Meine Familie und die Nachbarn mussten viel Eis essen“, lacht sie. Irgendwann war sie mit dem Produkt zufrieden und eröffnete. Die Kunden kamen und genossen das Eis, allerdings nur Kunden aus dem eigenen Sperrgebiet, da andere ja nicht kommen durften. „Aber ich war glücklich, da ich es geschafft hatte, Geld verdiente und bei meinen Kindern zu Hause war.“

Nach der Wende erweiterte Reiher nicht nur ihr Angebot an Eissorten. Im alten Schweinestall richtete sie einen Raum für Gesellschaften bis 50 Personen ein. „Da koche ich dann selbst.“ Auch Catering für Feiern bietet sie an. Das bewältigt sie alles ohne Mitarbeiter. „Höchstens mal für den Service, sonst hilft die Familie bei größeren Veranstaltungen.“ Ihre Kunden kommen heute nicht mehr nur aus dem Dorf, sondern auch aus Göttingen, Heiligenstadt oder Duderstadt. Ebenso halten Radfahrer und Wanderer, die auf dem Grünen Band unterwegs sind, gerne. Nach 32 Jahren Selbstständigkeit ist sie immer noch begeistert von ihrem kleinen Betrieb. “Ich hätte nie gedacht, dass das so gut klappt und dass es Conny’s Eiscafé so lange gibt.“