Bürger restaurieren einen alten Gutshof

Mitten im kleinen Dorf Heldra im östlichsten Zipfel Hessens an der Grenze zu Thüringen ist dank Privatinitiative und der Unterstützung der Dorfgemeinschaft ein alter Gutshof direkt an der Werra vor dem Verfall bewahrt und schrittweise restauriert worden. Und es ist vor allem wieder Leben in die Hofanlage eingezogen.

 Es gab bereits Überlegungen, das Haupthaus des alten Gutshofes aus dem Jahr 1621 aus Sicherheitsgründen abzureißen. Da fragte man Dr. Helmut Pippart, ob er das Anwesen retten wollte. Er hatte bereits mehrere Fachwerkhäuser saniert und somit viel Erfahrung. „Nur wenn Ihr mir helft“, lautete damals die Antwort an die Menschen im Dorf. Also kaufte der Arzt aus Wanfried 1999 das Anwesen unter der Maßgabe, dass die Menschen beim Aufbau helfen. Heute ist es ein idyllischer Ort der Ruhe, der Muße und des Staunens. Es ist ein Treffpunkt für Menschen aus der Region, eine Pension und ein Restaurant für Gäste aus Nah und Fern. Heldra hat seine Mitte wieder bekommen.

Es ist ein Haus mit Geschichte und das ist es, was Pippart fasziniert und antreibt. Zu den Besitzern des Gutes gehörte unter anderem der Großvater des Theologen und Pädagogen August Hermann Francke (1663 – 1727), der Begründer der Franckeschen Stiftung in Halle. Pippart berichtet, dass Francke oft in Heldra zu Besuch gewesen sei. Die Familie schenkte aus Verbundenheit zu dem Ort der Kirchengemeinde eine Bibel aus dem Jahr 1666.

So stand bei der aufwändigen Restaurierung auch immer im Vordergrund, möglichst viel von der historischen Substanz aus den verschiedenen Epochen zu erhalten. „Wenn ich so ein altes Gebäude in Augenschein nehme, habe ich immer eine Vision, wie es werden könnte, und die Kreativität, dies zu erreichen“, bringt es Pippart auf den Punkt. „Und hier habe ich gesehen, dass ich es wieder hinkriegen kann.“ Dabei betont er, dass er kein Fachmann sei, sondern ein Dilettant – aber in dem Sinne, dass er es „aus Interesse, Vergnügen und Leidenschaft“ macht, aber nicht ohne Fachwissen. Er zeigt Fotos von historischen Fachwerkhäusern aus ganz Deutschland, die alle unter seiner Beratung vor dem Verfall gerettet und zu Schmuckstücken restauriert wurden.

Vier Jahre lang (1999 bis 2003) arbeiteten engagierte Bürger aus Heldra zusammen mit Pippart auf der Baustelle. „An manchen Wochenenden kamen ganze Familien zum Helfen. Immer mehr Jugendliche gesellten sich dazu und engagierten sich. Insgesamt wurden mehrere tausend Arbeitsstunden unentgeltlich geleistet“, freut sich Pippart heute noch, dass das so gut funktioniert hat. „Und es waren eben auch viele Menschen mit handwerklichen Fähigkeiten dabei.“ Auch die Zusammenarbeit mit den Denkmalschutzbehörden war gut. Pippart erzählt, dass sie alte Ziegel von alten Dächern geholt hätten, mit denen das Dach neu gedeckt wurde. „Wo es ging, haben wir die alte Bausubstanz erhalten.“ So gibt es heute alte Dielen und Steinböden, ein herrschaftliches Treppenhaus, Wandmalereien, alte Buntglasfenster, historische Einbauschränke und Öfen, Türen mit alten Türschlössern und noch viele Originalmöbel aus dem Haus. Es ist wie ein lebendiges Museum. Durch die Eigenleistungen der Dorfgemeinschaft und vieler Idealisten haben sich laut Pippart die Kosten der Restaurierung auf einen Bruchteil reduziert.

Mittlerweile ist der Arzt kein Bauherr mehr, sondern Gastronom und Hotellier. Es gibt 15 individuell eingerichtete Zimmer, auf dem Dachboden des Backhauses können Gäste im Strohlager nächtigen und auf den Grünflächen zur Werra hin stehen drei Bauwagen, die ebenfalls gebucht werden können. "Insgesamt können wir 30 Personen unterbringen." Es ist alles geschmackvoll und individuell gestaltet. „An den Wochenenden bin ich oft hier“, erzählt Pippart an einem Samstagabend, während er alte Kupfergefäße reinigt. Wichtig ist ihm die Atmosphäre und der Flair im Haus. „Ich muss keine Gewinne machen und davon leben“, erklärt der 75-jährige Arzt, der noch in der Praxis seines Sohnes arbeitet. „Wir bieten in unserem Hotel und in unserem Restaurant auch keinen Luxus an“, beschreibt er das Konzept. „Aber wir legen Wert auf Qualität. Es gibt regionale und saisonale Angebote und guten Wein.“ In mehreren Räumen und in der ausgebauten Scheune können Gesellschaften von 20 bis 100 Personen verwöhnt werden. „Aber wir lehnen auch schon mal einen möglichen Auftrag ab, wenn die Menschen zu ausgefallene Wünsche haben, die wir womöglich nicht erfüllen können.“ Für die vorbildliche Restaurierung dieses historischen Dreiseithofes wurde der engagierten Dorfgemeinschaft mehrere Denkmal- und Fachwerkpreise verliehen.

Bürger aus dem über 1000 Jahre alten Heldra haben ihren Stammtisch in der Herberge „Im Kleegarten“, wie sich das Anwesen heute nennt. Es ist ein Ort zum Feiern, Genießen und zum Erholen. Ursula Müller und Monika Renner, zwei Frauen, die diese Initiative von Anfang tatkräftig unterstützt haben, arbeiten heute im Service „Im Kleegarten“ und freuen sich über das gelungene Projekt für Heldra.