Dort wo der Kalte Krieg besonders heiß war

 

Ein unscheinbarer etwa 12 Meter hoher Beobachtungsturm aus Beton auf hessischem Gebiet unmittelbar an der DDR-Grenze ist heute das Symbol für den einst „heißesten Punkt des Kalten Krieges“ zwischen NATO-Staaten und Staaten des damaligen Warschauer Paktes. Point Alpha war einer von vier Beobachtungsstützpunkten der US-Amerikaner an der innerdeutschen Grenze.

 

Heute ist es so ein friedlicher, ja sogar schöner Ort mit Rundumblick auf die Kuppen der Rhön in Thüringen und Hessen. Selbst die Segmente an historischen DDR-Grenzzäunen haben ihre Bedrohlichkeit verloren. „Aber wenn wir mit den Menschen ins Gespräch kommen und ihnen die damalige Situation erklären, spüren sie die Konfrontation der beiden Supermächte. Es bestand immer die Angst, dass hier der 3. Weltkrieg beginnen könnte“, bringt es Christian Curschmann auf den Punkt.

 

Point Alpha oberhalb der thüringischen Stadt Geisa hatte laut Curschmann unter den vier amerikanischen „Observation-Points“ an der innerdeutschen Grenze die größte Bedeutung. Im US-Militärjargon sprach man vom „Fulda Gap“. Man befürchtete, dass im Falle eines 3. Weltkrieges Truppen des Warschauer Paktes an dieser Stelle einmarschieren würden, da hier am „Thüringer Balkon“, die DDR weit in den Westen hineinragte. „Es gibt Hinweise, dass es ein wahrscheinliches Szenario  gewesen wäre“, so Curschmann, der als Historiker für die pädagogische Arbeit in der Gedenkstätte Point Alpha verantwortlich ist. Bis nach Frankfurt und ins Rhein-Main-Gebiet sind es nur rund 80 Kilometer, verdeutlicht Curschmann das Szenario.

 

„Wir haben jährlich zwischen 70 000 und 80 000 Besucher“, so Curschmann. Eine große Zielgruppe sind Schulklassen ab der 9. Klasse, aber auch internationale Jugendgruppen. „Manchmal haben wir auch jüngere Besucher, zum Beispiel waren heute Kinder hier, die uns im Rahmen eines Feriencamps besuchen.“ Curschmann wählt für diese Zielgruppe gern als Einstieg die Ausstellung „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ über seltene Tier- und Pflanzenarten im Grünen Band. „Wir liegen direkt im Grünen Band, deshalb wird das bei uns auch thematisiert. Und über den Lebensraum der Wildkatze kommen wir dann zur ehemaligen Grenze“, erläutert der Pädagoge. Curschmann ist überzeugt, dass bei den Kindern ganz viel hängen bleibt. „Und das schlichte Kreuz aus Birkenholz, mit dem an alle Opfer durch Flucht und durch die deutsche Teilung gedacht wird, kann man Kindern auch gut erklären.

 

Die Gedenkstätten Point Alpha, die von einer Stiftung betrieben wird, bietet viele Spezialführungen rund um DDR-Grenze und den amerikanischen Beobachtungsstützpunkt an. Immer wieder gibt es gesonderte Programme für Jugendliche aus Hessen und Thüringen, die gemeinsam an einem Thema arbeiten. Großes Interesse gibt es laut Curschmann bei Koreanern. „Nächste Woche kommen 100 Jugendliche aus Korea, die ein Wochenende in der Gedenkstätte forschen.“ Auch bei Gruppen, die im Rahmen von Schüleraustauschen nach Deutschland kommen, sei Point Alpha sehr beliebt.

 

Der Historiker wünscht sich, dass sich Jugendliche mehr Zeit für die Gedenkstätte nehmen als für eine reguläre Führung über das Gelände. „Wir bieten Workshops an, in denen Schüler selbst Inhalte erarbeiten können. Umfangreiches Material zur Recherche stellen wir dann zur Verfügung.“

 

Das US-Camp wurde nach der Wende als Asylbewerberunterkunft genutzt. Diesem Umstand ist es wahrscheinlich zu verdanken, dass es nicht sofort abgerissen wurde. Aufgrund von großem Engagement von Bürgern und Institutionen aus Thüringen und Hessen entstand eine eindrucksvolle Mahn-, Gedenk-, Begegnungs- und Bildungsstätte. Das Gelände zieht sich entlang der Grenze auf über zwei Kilometer hin. „Der Weg der Hoffnung“ entlang des Kolonnenweges auf dem ehemaligen Todesstreifen zeigt 14 riesige Kunstwerke, die an den christlichen Kreuzweg erinnern. Dann kommt das blaue „Haus auf der Grenze“ mit einem Museum der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Der Kolonnenweg geht mitten durch das Gebäude“, erläutert Curschmann diesen symbolischen Ort. Auf der anderen Seite geht der ehemalige Patrouillenweg der DDR-Grenztruppen weiter und zeigt exemplarisch die DDR-Grenzanlagen im Wandel der Zeit einschließlich einer Hundelauftrasse.

 

Direkt dahinter befindet sich der ehemalige Observation-Point der Amerikaner, der über 35 Jahre lang Tag und Nacht besetzt war. In den Baracken des ehemaligen Militärcamps wird in Ausstellungen über das Leben der US-Soldaten in Deutschland und deren Auftrag speziell an der ehemaligen Grenze informiert. In einer Vitrine ist ein amerikanisches Spiel namens „Fulda Gap“ ausgestellt. „Dieses Strategiespiel gab es zunächst in der Brettversion und später als Computerspiel“, erzählt Curschmann. „Fulda Gap war in Militärkreisen ein stehender Begriff. Und diese Geschichte kann man hier nacherleben.“