Von West und Ost ans Grüne Band

 

Reiner Cornelius ist nahezu jeden Tag in der Natur unterwegs – vor allem am Grünen Band „Für mich geht das Grüne Band über den eigentlichen Streifen zwischen Lochplattenweg und Staatsgrenze hinaus, und das sowohl in Thüringen als auch in Hessen. „Die Hasen, Vögel und Schmetterlinge interessieren die Verwaltungsgrenzen nicht“, so der Biologe. „Sie halten sich dort auf, wo es Nahrung und Deckung gibt.“ Um dies zu zeigen, geht Cornelius in den an den Kolonnenweg grenzenden ehemaligen 500 Meter breiten Schutzstreifen der ehemaligen DDR, den außer Grenzsoldaten und einigen Berechtigten niemand betreten durfte. Es geht auf den Pietzelstein, ein bewaldeter Vulkanschlot zwischen Spahl und Geisa.  Der Felsen ist vor zirka zehn Millionen Jahren entstanden. Man hat einen wunderbaren Blick auf die Landschaft um den thüringischen Grenzort Spahl. „Der Pietzelstein ist ein Natura-2000-Gebiet der EU und als Naturschutzgebiet ausgewiesen.“ Cornelius weist auf die Baumartenvielfalt hin: Ulme, Feldahorn, Mehlbeere, Linde… Auf hessischer Seite befindet sich ein Pendant, die Detgessteine. „Auch ein erloschener Vulkanschlot mit senkrecht abfallenden Felswänden und herrlicher Aussicht nach Hessen.“

 

Cornelius wünscht sich, dass die Wanderwege zwischen Hessen und Thüringen besser vernetzt werden. Der thüringische Kolonnenweg ist hier als Grüner-Band-Fernwanderweg markiert. Im Hessischen verläuft in etwa 150 Meter Entfernung ein regionaler Rhönwanderweg  Eine fast zugewachsene  Schneise führt von Thüringen nach Hessen. Für nicht ortskundige Wanderer ist diese aber kaum zu finden. „Um eine Verbindung zwischen beiden Wanderwegen zu schaffen, würde es reichen, einmal im Jahr die Schneise mit einer Motorsense freizuschneiden und eine Markierung an die Bäume zu pinseln“, so Cornelius. Von Gegnern des Grünen Bandes wird immer wieder argumentiert, dass der zur Natur gewordene Grenzstreifen eine neue Barriere zwischen Deutschland Ost und Deutschland West sei. „Wir müssen zeigen, dass dies nicht stimmt. Und wir müssen die Menschen an die Natur des Grünen Bandes heranführen, auf beiden Seiten der ehemaligen Grenze“, so der Naturschützer.  

 

Der habilitierte Biologe lebte über 25 Jahre in Berlin und arbeitete an der Technischen Universität, wo er als Ökologe in der Waldschadensforschung tätig war und Landschaftsplaner unterrichtete. Seit seiner Pensionierung lebt er wieder in seiner nordhessischen Heimat. „Für mich gab und gibt es keine Trennung zwischen Beruf und Freizeit. Und so ändert sich auch nichts, wenn man offiziell in Rente geht“, so der 68-Jährige.“Ich arbeite nach wie vor selbstbestimmt und aus eigenem Antrieb und das jeden Tag, inklusive Heilig Abend und Ostersonntag. Ich stecke mir meine Ziele selbst, so wie ich das immer getan habe.“

 

Wildnis ist ein fester Bestandteil des Grünen Bandes. Aber der ehemalige Grenzverlauf und der Grenzstreifen sollen auf weiten Strecken erkennbar bleiben. Eine Möglichkeit, Wildwuchs zu erhalten und gleichzeitzeitig den ehemaligen Grenzstreifen sichtbar zu machen, besteht darin, die Niederwaldwirtschaft nachzuahmen. „Dies ist eine traditionelle Form der Waldwirtschaft, die heute kaum noch existiert, die aber große Bedeutung für den Artenschutz hat“, erklärt der Ökologe. „Bei der Niederwaldwirtschaft werden alle 20 bis 30 Jahre sämtliche Gehölze gerodet. Nach dem Kahlhieb lässt man das Land brach liegen. Schon im folgenden Jahr verwandelt sich die Brache in einen Blütenteppich in dem büschelweise die Wurzelstöcke der gefällten Bäume neu ausschlagen. Die neuen Triebe werden rasch größer, so dass die Brache bald wieder von einem Buschwerk überzogen wird.“

 

Ein schwerer LKW fährt auf dem Kolonnenweg. „Bin gespannt, was da wieder im Gange ist“, macht sich Cornelius Sorgen. Ein Stückchen weiter entdeckt er eine neue Forststraße, die vom Kolonnenweg abgeht und in die seitlichen Waldgebiete führt. „Hier war bis kurzem noch Wildnis“, so Cornelius. „Der Forststraßenbau ist ein schwerer Eingriff in die Natur“, stellt er klar. „Sie bereitet die industrielle Ausbeutung des Waldes für Harvester vor und das in einem Naturschutzgebiet, das den Bereich der ehemaligen 500-Meter-Sperrzone vor Eingriffen schützen soll. Es ist mir unbegreiflich wie man so etwas genehmigen kann.“