Seit über 25 Jahren lebe ich mit meiner Familie in Helmstedt, direkt an der ehemaligen Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, im Zonenrandgebiet, wie man immer noch vereinzelt hört. Zahlreiche Ausflüge und Erkundungstouren in die "neuen Bundesländer" gehörten zum Wochenendprogramm in den 90er Jahren. Wir fühlten uns als neugierige Touristen. Wir wurden Zeugen, wie sich "blühende Landschaften" entwickelten, Kopfsteinpflasterstraßen mit den typischen „Hosenträgern“ verschwanden und moderne Bürgersteige, Bushaltestellen sowie Spielplätze in die kleinsten Dörfer kamen. Aber was passierte mit den Menschen? Wir haben es aus dem Blick verloren. Die neuen Bundesländer sind nicht mehr neu und somit hat auch die Neugier abgenommen. Die großen braunen Schilder "Hier war Deutschland bis zum . .. geteilt" gehören heute zum Alltag rund um Helmstedt. Beim Autofahren geht der Fuß immer noch leicht vom Gas. Ich lese diese Schilder immer noch, wenn ich an ihnen vorbeifahre. Besucher aus aller Welt mache ich darauf aufmerksam. Es kommt regelmäßig die Bemerkung: "Wo war die Grenze? Man sieht ja nichts." Und dann kommt die übliche Einführung in die deutsch-deutsche Geschichte…
Unzählige Male bin ich auf dem Kolonnenweg hinter Bad Helmstedt gegangen oder mit dem Fahrrad gefahren – meist nur sehr kurz, da es kein Vergnügen ist, auf den Lochplatten aus Beton zu fahren. Die Grenzen sind offen, aber trotzdem ist es doch immer noch eine Grenze – gesellschaftlich, wirtschaftlich, sozial und vor allem in den Köpfen der Menschen. Ganz anders im Harz, dem für mich nächstgelegenen Mittelgebirge mit zahlreichen Outdoor-Möglichkeiten. Auch hier gibt es einen Kolonnenweg, den ich aber nicht als Grenze wahrnehme. Zum einen liegt es daran, dass man beim Wandern, Langlaufen oder Mountainbiken „grenzenlos“ unterwegs ist. Ein anderer Grund ist sicherlich, dass der Nationalpark Harz der erste länderübergreifende (Niedersachsen und Sachsen-Anhalt) Nationalpark Deutschlands ist. Hier wird gemeinsam verwaltet und gedacht.
Wie schaut es in anderen Regionen am Grünen Band aus? Um dies zu erkunden, mache ich mich auf den Weg und gehe die knapp 1400 Kilometer ehemalige Grenze ab. Ich gehe auf dem Grünen Band, das sich
von einem Todesstreifen zu einer Lebenslinie entwickelt hat, wie es Naturschützer immer wieder betonen. Doch was denken die Menschen, die in der Mitte Deutschlands am Grünen Band leben, arbeiten,
ihre Freizeit verbringen oder sich dort engagieren? Als freie Journalistin begebe ich mich auf Entdeckungsreise durch Deutschlands Mitte. Mit diesem Projekt verbinde ich mein Interesse an
Menschen, meine journalistische Arbeit und meine Leidenschaft, zu Fuß unterwegs zu sein.